Es ist interessant, mit welch absurden Begründungen der Dialog mit Rechten heutzutage verweigert wird, sogar bei Formaten, die sich ausdrücklich den Dialog mit Andersdenkenden auf die Fahne schreiben.
Seit 2017 nehme ich jedes Jahr an der Aktion „Deutschland spricht!“ teil. Letztes Jahr wurde mir eine Gesprächspartnerin vorgeschlagen, die einem Treffen mit mir zunächst zustimmte, aber dann doch ablehnte, nachdem sie von meiner AfD-Mitgliedschaft erfahren hat. Über ihre Gründe und meine Antwort möchte ich hier berichten.
In meiner Antwort beschreibe ich ausführlich die Haltung, die hinter meinem Projekt „Dialog statt Hass“ steht. Außerdem zeige ich auf, wie dumm und kontraproduktiv der pauschale Faschismus-Vorwurf gegen die AfD ist.
Wie funktioniert Deutschland spricht?
Deutschland spricht funktioniert ganz einfach: Man gibt seine Postleitzahl und EMail-Adresse an und beantwortet einige grobe Ja/Nein-Fragen, mit denen die eigene politische Positionierung bestimmt wird.
Die Aktion findet seit 2017 einmal im Jahr im Herbst statt.
Man bekommt dann nach ein paar Tagen per Mail einen Gesprächspartner aus der Region vorgeschlagen, den man akzeptieren oder ablehnen kann. Mit dem Vorschlag verknüpft ist eine Information bezüglich der politischen Positionierung. 2019 sah das bei mir so aus:
In diesen Fragen sind Sie mit Julia [Name geändert] anderer Meinung:
– Sollten Flugreisen stärker besteuert werden?
– Kümmert sich Deutschland zu wenig um die Ostdeutschen?
– Leben die Alten in Deutschland auf Kosten der Jungen?
– Sollte Deutschland engere Beziehungen zu Russland anstreben?
– Haben Frauen in Deutschland die gleichen Chancen wie Männer?
– Sollte der Staat stärker in den Immobilienmarkt eingreifen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen?
– Ist Deutschland durch Einwanderung unsicherer geworden?
Neben den politischen Fragen wird man auch ein bisschen zur Person abgefragt. Hier die Fragen und meine Antworten dazu:
Was machen Sie beruflich? Informatiker
Wie verbringen Sie Ihre Freizeit? Sport, Familie, Politik
Sie sind ein/e Freund/in von… offenem Austausch, ausreden lassen, aktiv zuhören, Neugierde an völlig konträren Standpunkten und Weltanschauungen.
Was mögen Sie gar nicht? Menschen, die sich für moralisch überlegen halten und jeden außerhalb ihrer Echokammern und Filterblasen für dumm oder minderwertig erklären.
Letztendlich soll man sich dann an einem vorgegebenen Datum treffen, sodass an einem bestimmten Tag in ganz Deutschland Andersdenkende miteinander ins Gespräch kommen. Letztes Jahr war das der 30. Oktober 2019. Einige Gesprächspaare werden dabei von den Medien begleitet. Man kann dann in der Zeitung darüber lesen.
Die Kontaktaufnahme
Letztes Jahr hat die mir vorgeschlagene Gesprächspartnerin zunächst dem Treffen mit mir zugestimmt. Ich erhielt folgende Mail mit ihren Kontaktdaten:
Dürfen wir Ihnen jemanden vorstellen? Sie und Ihr Gesprächspartner haben sich beide für Deutschland spricht angemeldet und bestätigt, dass Sie einander am 30. Oktober 2019 treffen wollen. Nehmen Sie jetzt Kontakt auf und lernen Sie sich kennen!
Ich war anfangs zuversichtlich, denn sie schien generell ein aufgeschlossener Mensch zu sein – wie man das bei „Deutschland spricht“ erwartet. Hier einige ihrer Antworten:
Sie sind ein/e Freund/in von… interkulturellen Austausch, politischen und gesellschaftlichen Diskussionen bei einem guten Glas Wein.
Was mögen Sie gar nicht? Voreingenommene Begegnungen, Verallgemeinerungen und das Schimpfen auf die Gesellschaft oder Politik, wenn man sich selber keinen Ort sucht, um sich und seine Ideen einzubringen.
Daraufhin stellte ich mich bei ihr vor und schrieb ein bisschen über mich:
Hallo Julia,
wir wurden bei „Deutschland spricht“ einander vorgeschlagen. Ich stelle mich mal kurz vor:
– Aufgewachsen und wohnhaft in 64380 Roßdorf.
– Abitur in Darmstadt.
– Informatik-Studium an der TU Darmstadt. Heute bin ich selbständig als Informatiker.
– Ich bin verlobt und Vater eines [zensiert] Monate alten Sohnemanns.
– Ich bin seit 2013 Mitglied der AfD.
– Ich betreibe ein Blog-Projekt unter https://dialog-statt-hass.de/
Es würde mich sehr freuen, wenn unser Gespräch zustandekommt. Wie ich bei einer kurzen Google-Recherche herausgefunden habe, scheinst du politisch sehr aktiv/bewandert zu sein. Ich habe schon die letzten beiden Male, also in 2017 und 2018, teilgenommen und dabei sehr gute Erfahrungen gemacht.
Den Treffpunkt für unser Gespräch darfst du gerne bestimmen/vorschlagen. Mir ist wichtig, dass es ein Ort ist, an dem du dich wohl und sicher fühlst. Schließlich bin ich de facto erstmal ein Fremder für dich.
Wenn du irgendwelche Fragen hast, schieß los.
PS: Ich dutze dich direkt, weil wir gleich alt sind und sich ein „Sie“ extrem schräg anfühlen würde. Ich hoffe das ist für dich in Ordnung.
Viele Grüße, Robert
Das Angebot der FAZ
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt: Ein Journalist der FAZ meldete sich bei uns beiden, weil wir ausgewählt wurden für eine mediale Begleitung/Aufarbeitung unseres Gesprächs. Über unser Gespräch wäre dann vielleicht in der FAZ berichtet worden.
Einer solchen Begleitung stimmte ich natürlich zu.
Die Absage
Leider kam dann wochenlang von Julia keine Antwort, obwohl ich zwischendurch nochmal um eine Antwort gebeten habe – zwecks Terminplanung. Erst einen Tag vor dem angepeilten Termin erhielt ich eine Reaktion – eigentlich an sich schon ziemlich dreist:
Hallo Robert,
Ich habe jetzt länger drüber nachgedacht, ob ich an dem Treffen teilnehmen möchte oder nicht und habe mich dagegen entschieden.
Du schreibst in deinem Blog: „Leider wird jeglicher Kontakt seitens der meisten Linken abgelehnt, weil man mit einem “Rechten” wie mir nichts zu tun haben möchte. Als Konservativer wird man heutzutage in weiten Teilen der Gesellschaft geächtet und ausgegrenzt. Das Vorurteil, man sei ein Menschenfeind, ist weit verbreitet. Das hindert mich jedoch nicht daran, es immer wieder zu versuchen.“
Wer (nochimmer) Mitglied der AfD ist und noch nicht erkannt hat, das große Teile der Mitglieder und der Parteispitze faschistisches und völkisches Gedankengut verbreiten und sich somit außerhalb unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung beweget, der muss auch als Konservativer damit rechnen, dass er zu Recht Ablehnung erfährt. Ich ziehe für mich da eine klare Linie zwischen konservativen Einstellungen und faschistischen Einstellen, wie sie die AfD und ihre Mitglieder verbreiten. Als konservative Partei muss man sich deutlich vom Faschismus distanzieren, „nie wieder Faschismus“ ist der Grundsatz auf dem die BRD gegründet wurde.
Julia
Aha. Für Julia ist also jedes AfD-Mitglied ausnahmslos ein Faschist oder ein Faschismus-Unterstützer. Dass man sich gerade auch innerhalb einer Partei gegen jedweden Extremismus engagieren kann, kommt ihr nämlich offenkundig erst gar nicht in den Sinn.
Wie hatte Julia nochmal auf die Frage „Was mögen Sie gar nicht?“ geantwortet? Ahja, richtig, das war ihre Antwort:
„Voreingenommene Begegnungen, Verallgemeinerungen, …“
Und jetzt zeigt sich, wie voreingenommen sie selbst ist und wie sie selbst verallgemeinert.
Mit ihrer Absage gibt sie mir nicht einmal die Möglichkeit, zu zeigen, dass ich kein Faschist bin. Dieses Vorurteil steht für sie unverrückbar fest. Typisch. Die achso tugendhaften Vorkämpfer gegen vorurteilbehaftetes Denken sind selbst die größten Schubladendenker.

Meine Reaktion auf die Absage
Hallo Julia,
vielen Dank für deine Absage – auch, wenn sie reichlich spät kam. Aber lieber spät als nie.
Ich finde es schade, dass du den Dialog mit mir ablehnst. Es bestätigt doch genau das, was ich in meinem Blog geschrieben habe: Man wird, wenn man auch nur ansatzweise nationalkonservativ oder zuwanderungskritisch denkt (=AfD), a priori als Menschenfeind abgestempelt („faschistisch“, „völkisch“).
Jedoch ist die Intention von dieser „Deutschland spricht“-Aktion doch, genau solche Barrieren und Spaltungen abzubauen. Brücken zu bauen, indem man zivilisiert mit Menschen spricht, die eine ganz andere politische Ansicht vertreten. Um sie als Menschen zu sehen und kennenzulernen.
Deshalb habe ich für deine Ablehnung kein Verständnis. Ich bin enttäuscht, denn ich habe mich sehr auf das diesjährige „Deutschland spricht“ gefreut.
Noch größer wird mein Unverständnis in Anbetracht der Tatsache, dass du eine Menge mit Politikwissenschaften zu tun hast?! Ich begreife das nicht. Schon aus professionellem Interesse müsstest du das doch als eine extrem spannende Gelegenheit ansehen. Du könntest mich – rein fachlich – als „Studienobjekt“ ansehen. Du könntest dir einmal aus nächster Nähe ansehen, was das für komische, meinetwegen (deiner Ansicht nach) „faschistische“ und „völkisch“ denkende Menschen bei der AfD sind, und der Frage auf den Grund gehen, warum sie so ticken, wie sie ticken. Und wie sie dahin gekommen sind. Du könntest meinetwegen versuchen, ein „Gegenmittel“ zu finden.
Hinzu kommt, dass die FAZ unser Gespräch redaktionell begleiten wollte. Du hättest dies meinetwegen als eine Gelegenheit sehen können, einen blöden faschistischen AfD-Anhänger mal so richtig vorzuführen. Du hast doch sicher stichhaltige Argumente gegen die AfD? Mit etwas Glück wäre das dann in der FAZ abgedruckt worden.
Stattdessen vertrittst du den Standpunkt, der einzig richtige Umgang mit AfD-Anhängern wie mir sei völlige Ablehnung bzw. totale Kontaktvermeidung. Ausgrenzung. Exklusion. Ausschluss. Keine Diskussion, kein Kontakt. So als wäre man unberührbar, pestkrank oder schlicht ein Mensch zweiter Klasse. So, als wäre man geistig infiziert, und als könnte man sich als Dritter schon durch ein Gespräch infizieren. Und als wäre diese Infektion unheilbar…
Schade. Ich bin enttäuscht.
Wenn du es dir irgendwann anders überlegst… ich bin bereit.
Viele Grüße,
Robert
Rettungsversuch des FAZ-Journalisten
Aus Sicht des FAZ-Journalisten war auch dieses Nichtzustandekommen des Dialogs interessant und möglicherweise berichtenswert. Er machte uns folgenden Vorschlag:
Liebe Frau Soundso [Name geändert], lieber Herr Nitsch,
da ich cc) gesetzt bin, melde ich mich auf Ihren Mailwechsel. Ich vermute mal, dass es bei Ihrer Absage bleibt – aber die Argumentation (und die Gegenargumentation) finde ich dann doch sehr interessant. Nur als Idee, über die Sie vielleicht nachdenken könnten? Man könnte Ihren letzten Mailverkehr auch publizieren – in zwei kleineren Statements von Ihnen beiden jeweils. Nur als Idee, Sie können das natürlich verwerfen. Aber denken Sie bitte drüber nach.
Vielen Dank und freundliche Grüße
Meine finale Antwort und (Psycho-)Analyse
Dem Vorschlag des FAZ-Journalisten war ich durchaus zugeneigt.
In meiner Antwort an ihn (mit Julia in CC) machte ich meinem ganzen Ärger über die dämliche Dialogverweigerung noch einmal Luft und verknüpfte das mit dem Versuch, die wahren, nämlich emotionalen Gründe für ihre Dialogverweigerung zu beschreiben.
Der Text ist lang, aber ich finde ihn wertvoll, weil er die Haltung, die hinter meinem Projekt „Dialog statt Hass“ steht, auf den Punkt bringt:
Hallo Herr Journalist [Name geändert],
ich finde Ihren Vorschlag gut. Denn auch so etwas kommt bei „Deutschland spricht“ offensichtlich leider vor: Dass man sich dem Gespräch verweigert. Und es wäre sicher nicht verkehrt, dies in der Berichterstattung dazu einmal mitabzubilden – vielleicht verbunden mit dem Appell, den Dialog trotzdem wenigstens zu versuchen (und andernfalls bitte die Anmeldung bei „Deutschland spricht“ künftig bleiben zu lassen, mangels echter Überzeugung vom Dialog mit Andersdenkenden).
Allerdings scheint Frau Soundso auch daran kein Interesse zu haben. Schade.
Folgendes möchte ich ihr aber noch als Denkanstoß mit auf den Weg geben (das Kernargument ist fett hervorgehoben):
- Es ist ein großer Denkfehler, jemandem zu unterstellen, er würde Faschismus unterstützen oder billigend in Kauf nehmen, bloß weil er Mitglied in der AfD sei. Damit wirft man alle AfD-Mitglieder in einen Topf. Es handelt sich um eine unzulässige Pauschalisierung.
- Es gibt eine klare gemäßigte Mehrheit in der AfD – ob das den Julias dieser Welt in den Kram passt oder nicht. Ich bin seit 2013 in dieser Partei und behaupte, dass ich das ganz gut beurteilen kann. (Mir diesbezüglich im Vorhinein die Glaubwürdigkeit bzw. Aufrichtigkeit abzusprechen, wäre dann wieder Schubladendenken.) Man muss außerdem auch mal zwischen West- und Ost-AfD unterscheiden. Insbesondere der hessische AfD-Verband gilt übrigens – sogar im Westen – eher als gemäßigt.
- Die gemäßigten, d.h. „normalen“ bürgerlich-konservativen Mitglieder der AfD, wie ich, können innerhalb der Partei viel mehr gegen jegliche Radikalisierung der AfD tun, als wenn sie austreten.
- Und außerdem: Wenn alle Gemäßigten, wie von Frau Soundso offenbar gefordert, die AfD verlassen, dann wäre die AfD morgen nur noch ein radikales Wrack (selbsterfüllende Prophezeiung) und würde schnell untergehen. Meine politischen Ziele würden dann in weite Ferne rücken.
- Für mich ist es viel sinnvoller, in der AfD zu bleiben, mich gegen Radikalisierung einzusetzen und so für meine politischen Ziele zu kämpfen.
Ich vermute ohnehin, dass Frau Soundso den Dialog in Wahrheit deshalb meidet, weil sie sich ihrer Sache im Inneren unsicher ist. Sie ist viel zu intelligent, um ihrer eigenen „Faschismus“-Argumentation (und -Pauschalisierung) ernsthaft zu folgen. Dahinter steckt wohl eher, vielleicht unbewusst, etwas emotionales.
Der „Faschismus“-Vorwurf und die damit verbundene pauschale Verurteilung aller (!) AfD-Mitglieder ist bequem, weil man sich dann nicht mehr mit unangenehmen Argumenten und Gesprächspartnern befassen muss. So muss man das eigene Weltbild auch gar nicht erst verteidigen. Hier die Guten – dort die Bösen. Die Rollen sind klar verteilt. Und, wie schön und kuschelig: Man selbst zählt natürlich zu den Anständigen. Und weil man mit den anderen gar nicht erst spricht, wird das auch niemals ernstlich in Frage gestellt. Zur Selbstvergewisserung klopft man sich lieber gegenseitig auf die Schultern („Haltung zeigen“). Das genügt völlig. Man redet lieber über die anderen (bzw. schimpft auf sie) – anstatt mit ihnen zu reden.
Dahinter steckt freilich eine völlig falsche Einstellung zu sachlichen Diskussionen. Ich habe eine Diskussion niemals als etwas gesehen, bei dem es einen Gewinner gibt (der mit den besseren Argumenten) und einen Verlierer (der, der seine Meinung aufgeben muss). Wenn man Wahrheitsfindung als das ansieht, was es ist, nämlich als einen ewigen Prozess, dann ist eine Diskussion doch eigentlich, zu Ende gedacht, immer ein win-win. Man tauscht schließlich wechselseitig Argumente und Fakten aus – kurzum: Informationen -, lernt dadurch dazu und bekommt dadurch die Gelegenheit, das eigene Weltbild zu überprüfen und ggf. teilweise zu korrigieren.
Wenn ich meine Meinung im Angesicht von neuen Fakten ändern muss, dann ist das vielleicht für mein Ego erstmal ein Verlust. Schließlich lag ich falsch, und dieses Eingeständnis kann schmerzhaft sein. Aber es geht doch darum, der Wahrheit immer näher zu kommen, also die Welt immer besser zu verstehen.
Deshalb kann ich eine Diskussion gar nicht verlieren. Entweder ich lag richtig, dann gewinne ich. Oder ich lag falsch, dann gewinne ich ebenfalls, denn ich bin meinem übergeordneten Ziel näher gekommen: Der Wahrheit. Was mir dabei hilft, ist grundsätzlich zu akzeptieren, dass ich die Wahrheit niemals endgültig erreichen werde. Wahrheitsfindung ist eben ein Prozess – wie in der Wissenschaft, wo immer bessere Theorien/Modelle entwickelt werden, die aber mit der Realität nie endgültig übereinstimmen werden. Wenn man das von Anfang an akzeptiert, dann tut es auch gar nicht mehr so weh, wenn man sich mal korrigieren muss.
Anders sieht es natürlich aus, wenn man die Wahrheit gar nicht als übergeordnetes Ziel hat… das ist bei Ideologen der Fall, oder bei religiösen Menschen. Dann gibt es Dogmen, die nicht hinterfragt werden dürfen. Denn man hat das ganze Weltbild (und die eigene Lebensführung) um diese Dogmen herumgebaut. Würden diese Dogmen gesprengt, dann wäre das eigene Ego, die eigene Lebensleistung, massiv gefährdet. Vielleicht, und das dürfte viel mehr Gewicht haben, ist auch das soziale Umfeld gefährdet, denn wenn man in manchen Kreisen weltanschaulich ausschert, wird man schnell ausgegrenzt. Freundschaften werden gekündigt, Familien gespalten. Das kennen wir alles. Wer auf einmal die „falsche Meinung“ vertritt, der bekommt einen heftigen Gegenwind. Völlig egal, ob man gute Gründe für den Meinungswechsel hatte, oder nicht. Die wahrhaft Gläubigen dulden keine Ungläubigen in ihrer Mitte. Blasphemie! Ketzerei! Rechtes Gedankengut! Das ist die alte Geschichte vom Gruppenzwang bzw. Herdentrieb. Nicht alle Menschen verfügen über die Charakterstärke, in einer solchen Situation zu ihrer abweichenden Meinung zu stehen und die Konsequenzen zu tragen (man verliert übrigens nicht nur Freunde, sondern gewinnt auch neue hinzu).
Fanatiker oder Fundamentalisten würden den Dialog aber deshalb nicht meiden. Sie sind so von sich und ihrer Ideologie überzeugt, dass sie vor dem Dialog keine Angst haben. Mit solchen Menschen habe ich auch schon zu tun gehabt – und viel gelernt, es sind sogar Freundschaften entstanden; es handelt sich dabei übrigens um streng gläubige Muslime. Diese Menschen sind getragen vom Glauben, dass sie andere Menschen von ihrer Sache überzeugen können. Einen Dialog nehmen sie deshalb gerne an.
Die, die den Dialog vermeiden, zweifeln viel eher bereits im Inneren. Sie ahnen, wahrscheinlich unterbewusst, dass ihr Weltbild auf tönernen Füßen steht, und eigentlich einer Korrektur bedarf. Sie haben Angst davor. Weil es weh tut, einen Fehler einzugestehen. Und weil sie die dafür nötige Leidensfähigkeit (noch?) nicht entwickelt haben (unreif sind). Die Folgen können aber fatal sein. Man schneidet sich letztlich ins eigene Fleisch, wenn man zu schwach ist, um Fehler zu korrigieren. Langfristig gesehen ist die Nicht-Korrektur eines falschen Weltbilds viel schmerzhafter, als der kurze Schmerz bei der frühzeitigen Korrektur. Das ist wie beim Arzt: Mit der falschen Diagnose wird man falsch therapiert und es wird nie besser, eher schlimmer. Erst, wenn die Diagnose stimmt, kann die richtige Therapie gewählt werden und die Probleme können sich zum besseren wenden.
„Faschismus“ ist im Falle der AfD mit 100%iger Sicherheit die falsche Diagnose. Die richtige Diagnose ist: Den AfD-Wählern und -Mitgliedern geht die Zuwanderungspolitik gewaltig auf den Sack (Stichwort Überfremdung, Entheimatung, PISA, Islam, …). Deshalb wird die AfD primär gewählt, vor allem im Osten. Das ist der Elephant im Raum – man sieht die Überfremdung bereits allerorten in Deutschland. Das als „Fremdenfeindlichkeit“ oder „Rechtsextremismus“ zu pathologisieren und damit zu delegitimieren, mag das eigene Ego schmeicheln („Wehret den Anfängen“, „Toleranz“, bla bla), aber ändern tut sich deshalb an der Einstellung der Menschen nichts. Sie werden weiter „rechts“ wählen, solange, bis die Zuwanderungspolitik korrigiert wurde. Und dagegen sträuben sich die Altparteien mit aller Macht. Man redet sich lieber alles schön und übt sich fleißig in Symbolpolitik. Die AfD-Wähler lassen sich von dieser Symbolpolitik aber nicht mehr länger täuschen. Das Vertrauen in die Politik ist bei den AfD-Anhängern nachhaltig beschädigt (leider zurecht). Und auch das Vertrauen in weite Teile der Medien/Journalisten (leider auch zurecht).
Solange die Zuwanderungspolitik nicht in die Reihe kommt, solange wird die AfD wachsen – und vielleicht auch radikaler. Schuld daran ist aber nicht die AfD. Die AfD ist nicht Ursache, sondern Folge einer jahrzehntelang verfehlten Politik. Die AfD ist nicht der Fehler im System, sondern sie ist die Fehleranzeige, die auf einen Fehler im System hinweist. Die AfD ist nicht der Einbrecher, sondern sie ist die Alarmanlage. Die AfD ist nicht die Krankheit, sondern (schlimmstenfalls) das Symptom oder vielleicht sogar (bestenfalls) der Arzt.
Mit freundlichen Grüßen,
Robert Nitsch
Schlusswort
Damit war Deutschland spricht 2019 für mich leider gelaufen.
Zum Abschluss dieses Blogartikels möchte ich den deutsch-jüdischen Historiker Prof. Michael Wolffsohn zu Wort kommen lassen – zu der Frage, ob es sich bei der AfD um eine Nazi-Partei handelt:
Leider sind solche Reaktionen kein Einzelfall, sie sind geradezu epidemisch. Die Bequemlichkeit der Blase harmoniert dann mit der eigenen Feigheit. Die Taktik der „Unberührbarkeit“, quer über alle Mainstreammedien propagiert, zeitigt ja auch Erfolge. Im Moment befindet sich die AfD in der ernstesten Krise ihrer Geschichte, ich kann nur hoffen, dass diese überwunden wird.
Dieselbe Verweigerung wie bei der potentiellen Gesprächspartnerin kann man hier auf einem Plakat lesen:
https://aktuellezeitkultur.wordpress.com/2020/05/18/der-aufstand-der-dummen/
Und da komme ich dann nicht umhin, eben doch Dummheit festzustellen, denn es ist einfach nur dumm, da elementar widersprüchlich. Bei ideologischer Verseuchung hilft aber gar nichts. Die schlimmste Schreckschraube beim „Spiegel“ ist bekanntlich Margarete Stokowski. Eine intelligente Frau, aber verbohrt und ideologisch. Ihre Kolumnen sind eine Zumutung, ich lese sie nicht mehr.
Aber sie hat einmal zum Weltkatzentag einen Artikel geschrieben, der zeigt, wie brillant sie sein kann: humorvoll, unterhaltsam, ironisch. Dass sie es ansonsten nicht ist, hat nur mit ihrer Ideologie zu tun.
https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/weltkatzentag-was-martin-schulz-von-meiner-katze-lernen-kann-a-1161825.html
Die heutige Politik (die längst bis auf die AfD von links unterwandert ist), ist von einer beispiellosen Wirklichkeitsverdrängung gekennzeichnet. SPD und Grüne sind inzwischen so ideologisch abgedriftet, dass selbst die Linke (besonders Sahra Wagenknecht) sich dagegen manchmal positiv abhebt (wenn sie nicht gerade eine Linksextreme in ein Verfassungsgericht wählen).
Ihre Gesprächspartnerin war zu feige, sich mit ihnen zu treffen. Wenn ich mich recht erinnere, hatten Sie dieses Erlebnis ja schon einmal.
Ich kenne in meiner Umgebung nur einen einzigen Linken, den ich für voll nehmen kann. Mit den meisten kann man über Politik nicht sprechen. Ihm dagegen konnte ich sogar das Buch von Björn Höcke schenken, und er hat es gelesen (!) und war zu meiner Überraschung genauso begeistert wie ich. Höcke ist kein Faschist und die Wikipedia lügt, da sie nur die Hetze von Andreas Kemper übernimmt. Aber sie brauchten halt einen. Der „Rechtsextremist“ und „Nazi“ Ist eine Medienerfindung.
https://aktuellezeitkultur.wordpress.com/2020/02/09/wikipedias-luege/